Produktionen

2020 | Agora2020 – wir machen die Spielregeln

Wer hat es erfunden – die bewilligungsfreien Promotionsplätze der SBB? die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Letztlich waren es Bürgerinnen und Bürger welche sich das Grundrecht nicht von der SBB AG nehmen wollten, ihre Meinung und politische Initiative im öffentlichen Raum “Bahnhof” ausüben zu dürfen…

Wir nutzen nun diese kleine Bühne für unsere nächste Produktion. Sie ist etwas verrückt… Jael und Laura bespielen am Sonntag, 14. Juni 2020 alle dieser Plätze in der Deutschschweiz. Der Zeitplan ist eng und am Ende ist die Derniere in St. Gallen.

Weitere Informationen zu den Promotionsplätzen findest du hier: https://company.sbb.ch/de/sbb-als-geschaeftspartner/dienstleistungen/werbeplattform/am-bahnhof/bewilligungsfreie.html

Weitere Informationen zum Inhalt der Produktion und was das mit Demokratie zu tun hat, findest du bei mir

2018 | das Loch im gelben Tisch

 

                                                                  

 

 

 

Georgette wird sehr früh Mutter. Ponzo ist der Vater des Kindes. Das Kind heisst Anne. Ponzo, der immer im Pelzmantel unterwegs ist, weil es ihm in der Schweiz zu kalt ist, reist schon bald wieder zurück nach Italien. In Livorno ist es wärmer. Georgette bleibt allein zurück und ist überfordert, der kleinen Anne zu schauen. Schliesslich muss sie die Kleine weggeben. Ihre Schwester ist bereit, Anne bei sich aufzunehmen. Anne wird zum Kind, zur Jugendlichen und schliesslich zur jungen Frau. Sie weiss fast nichts über ihre leiblichen Eltern – und sie ist sich unschlüssig, ob es ihr überhaupt gut tut, mehr zu wissen. Pierre, Anne‘s Freund und eine alte Frau, begleiten Anne in dieser nicht immer einfachen Zeit.

Das Loch im gelben Tisch ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über die Liebe und über den Wunsch nach Glück. Wieviel Nichtwissen tut gut und wieviel Wissen schmerzt? Nicht nur Anne ist auf der Suche nach dieser Antwort. Auch Ponzo, Georgette und alle anderen lassen Worte durch das Loch im gelben Tisch der alten Frau fallen. Diese sammelt alle Gedanken in ihrem Schoss, verwahrt sie sicher und gibt sie zurück, wenn es an der Zeit ist.

Auf dem Bärenplatz in St.Gallen von Theater U21 erzählt, gespielt und gesungen, entführt „Das Loch im gelben Tisch“ in Welten, die unserm Selbst und der Altstadt ganz nah und auch ganz weit weg sind. Ein etwas anderes Strassentheater – ein Genuss für Auge, Ohr und Herz.

Spiel

Aaron Siebs, Cecilia Salzmann, Darran Murray, Elisa Faes, Hanna van Dam, Joelle Gmeiner, Laura Manser, Manon Keller, Marisol Rüegg, Kathrin Tamburic, Simon Schmalz

Regie

Adrian Strazza

Text

Stefan Graf

Musik

Michael Wernli

Aufführungen

Premiere: Freitag 20. April, 19.00 Uhr
Samstag 21. April, 19.00 Uhr
Montag, 23. April, 19.00 Uhr
Dienstag, 24. April, 14.00 Uhr
Dienstag, 24. April, 19.00 Uhr
Donnerstag, 26. April, 14.00 Uhr
Donnerstag, 26. April, 19.00 Uhr
Derniere: Freitag, 27. April, 19.00 Uhr

Vorverkauf 077 234 21 06, ab April von 14 – 20 Uhr

pro Vorstellung stehen nur 40 Kopfhörer zur Verfügung, welche man als Zuschauer benötigt.
Eintritt:

  • Fr. 25.- Erwachsene
  • Fr. 10.- Schüler

Bis zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn wird hier bekannt gegeben, ob die Vorstellung (Freilufttheater) durchgeführt wird oder nicht.

Mit der freundlichen Unterstützung: Kanton St. Gallen, Kanton Appenzell Ausserrhoden, Stadt St. Gallen, Steinegg Stiftung, Lienhard-Stiftung, Metrohm Stiftung, Straubenzeller Fonds der Ortsbürgergemeinde St. Gallen, Alexander Schmidheiny Stiftung, Migros Kulturprozent, Hans und Wilma Stutz Stiftung

2017 | Beletage

von Adrian Strazza in Kooperation mit dem Kunstmuseum St. Gallen

Spiel
Darran Murray | Simon Schmalz und Gäste

Sprecher
Thomas Zingg

Regie
Adrian Strazza

Stimmcoach
Miriam Sutter

Produktion
Adrian Strazza

Kostüme
Julia Walser

Texte
Verschiedene

Grafik
Büro Sequenz

Technik
Jonas Weber

 

2015 | One Way

von Adrian Strazza

Spiel
Darran Murray | Simon Schmalz und Gäste

Regie
Adrian Strazza

Assistenz
Fiona Knellwolf

Produktion
Adrian Strazza

Text
Ensemble

Grafik
Moni Rimensberger

Dramaturgische Begleitung
Lukas Amman | Stefan Graf

 

Presse

St. Galler Tagblatt, 18. Juni 2015

 

Saiten, 22. Juni 2015

Peter Surber

Da isch doch nöd normal!

Am selben Abend wie die Festspieloper hatte wenige Schritte davon entfernt, am St.Galler Bärenplatz, Oneway 15 Premiere. Das Zweipersonenstück des Jugendtheaters U21 spielt amüsant mit Lebensfragen und Passantenreaktionen.

Chasch doch nöd eifach nüüt tue! Moritz kann es nicht fassen, wie dieser Nigel sich verhält. Gerade haben sie sich kennengelernt am St.Galler Bärenplatz, genauer gesagt: Moritz hat sich einfach so vorgestellt, aufgedrängt, ein neugieriger Typ halt, der auf die Mitmenschen zugeht – während Nigel auf stur stellt, kaum ein Wort herausrückt. Steht bloss da und zählt Passanten. Tut nichts. Da isch doch nöd normal!

Was ist normal? Das ist die Frage, auf die es immer wieder hinausläuft in der episodischen Begegnung der beiden jungen Spieler. Es ist auch die Frage: Wie stelle ich mich in diese Erwachsenenwelt, was wird von mir erwartet, welchen Bildern will ich unbedingt oder kann ich gar nicht entsprechen?

Zwei an der Schwelle zum Erwachsensein

Moritz hat Fantasie, «das ist doch normal», aber den andern gilt er als Träumer. Nicht zufällig ist sein Übername «Momo»: einer, der alles wissen will und der sich ausmalt, was er nicht weiss. Eine Figur, wie geschaffen für das Spiel hier am Bärenplatz: Wo geht der hin, wo kommt jene her, was hat sie im Sinn, wen trifft sie, ist sie nachher glücklicher als vorher? Wenn Moritz so fragt, fängt man als Zuschauer selber an, die Passanten mit neuen, neugierigen Augen zu betrachten.

Nigel hat einen Vater, der ihn drängt, endlich etwas zu tun. Lehre, Schule, irgendetwas Sinnvolles. Aber er will sich Zeit lassen, «das ist doch normal». Auch dafür eignet sich der Bärenplatz hervorragend: Tag für Tag steht Nigel an der Ecke bei der Buchhandlung, zählt die Leute bis tausend, dann klebt er seinen Kaugummi an die Wand und geht. Dass das alles andere als leeres Nichtstun ist, wird Moritz im Verlauf des Stücks lernen – und wir als Zuschauer auch.

Darran Murray (Nigel, auf dem Bild oben links) und Simon Schmalz (Moritz) haben ihre beiden Figuren, unterstützt von Regisseur Adrian Strazza, selber entwickelt, ihnen packende Konturen gegeben. Über Kopfhörer erfährt das Publikum zu Beginn in Monologen, wer die beiden sind. Dann kommt es zur Begegnung, zum Streit, zum Duell, zu wachsender gegenseitiger Neugier, schliesslich zu einer Art Freundschaft.

Geschickt spielt das Stück mit der Örtlichkeit, mit den Gassenfluchten, mit Auf- und Abtritten und zwischendrin auch mit den Passanten selber. Moritz macht Kurzinterviews auf der Gasse: «Wie alt schätzen Sie diesen Nigel? Und was könnte er von Beruf sein?» Bei der Premiere klappt das bestens, etwas schwieriger wird es später mit einer zweiten Frage: «Wie lang dauert das Leben?» Es wäre ein Wunder, wenn ein Vorbeikommender da gleich eine Antwort parat hätte.

Und dann? Und dann?

Vorbei promenierten am Premierenfreitag immer mal wieder Gäste der abendlichen Festspiel-Oper – ein pikanter Kontrast: dort der hochsubventionierte professionelle Musiktheater-Goliath, hier der zum Teil mit Crowdfunding mitfinanzierte Jugendtheater-David. Vorbei kam auch Stadtrat Markus Buschor – als Bildungschef der Stadt natürlich eine Idealbesetzung für ein kurzes Fragespiel. Mit solchen Zufallsbegegnungen könnten Darran und Simon noch risikofreudiger spielen. Mut genug haben sie, sich dem öffentlichen Raum auszusetzen.

Und die Dialoge der beiden haben Witz und Tiefgang. Einer der spannendsten geht los, als Nigel Moritz mit der Frage nach seiner Zukunft löchert. Nach der Schule? Beruf. Und dann? Autokauf? Und dann? Familie. Und dann? Ferien. Kinder. Arbeit. Ferien… Und dann und dann und dann…. Am Ende steht das Leben fertig da und das Sterben vor der Tür und ein Sinn ist nicht auszumachen. Nigel, der Eckensteher-Philosoph, wirbelt seinen Kollegen und uns ganz schön durch.

Oneway 15, der Titel des Stücks, deutet eine Sackgasse an. Die Örtlichkeit am Bärenplatz ist aber auf alle Seiten offen, und so offen ist auch die Stückanlage. Überraschungen eingeschlossen – je nachdem, wer Moritz gerade vors Mikrofon gerät. Was die beiden Schauspieler da treiben, ist für manche Passanten zwar vermutlich «nicht ganz normal» – aber es öffnet den Blick für die Stadt und für die Lebensfragen (woher? wohin?), die jeder mit sich herumträgt neben den Einkaufstaschen, auf dem Weg über den Bärenplatz.

2013 | Street View

von Stefan Graf und Adrian Strazza

Spiel
U21

Regie
Adrian Strazza | Stefan Graf

Assistenz
Conny Marty

Layout
Andreas Halter

Produktion
Conny Marty | Lukas Ammann

Bühne
Stefan Graf | Valentin Buff

Musik/Ton
Michael Wernli

Kostüme
Nicole Haraszt

2012 | The dawn is breaking

von Stefan Graf

Spiel
Lea Haas | Kiri Hoffmann | Konstantin Schmidt | Katharina Schmidt | Fabienne Schwizer | Vera Senekowitsch | Nadine Tobler

Regie
Adrian Strazza

Assistenz
Conny Marty

Layout
Andreas Halter

Produktion
Lukas Ammann

Bühne
Stefan Graf | Lukas Ammann

Musik/Ton
Michael Wernli

Kostüme
Nicole Haraszt

Fotografie
Tine Edel

 

Presse

St. Galler Tagblatt, 12. Mai 2012

Durchhalten, von Level zu Level

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Nur geht es diesmal nicht um Fussball, sondern um wichtigeres: Um den «ersten Tag vom Rest meines Lebens», wie Jan es ausdrückt. Er ist einer von sieben Jugendlichen, die sich im Stück «The Dawn Is Breaking» von Stefan Graf und dem Theater U21 auf einem Steg begegnen. Jan würde gerne «mal ganz von vorne anfangen, nicht immer nur den gleichen Level spielen.» Er erzählt von seinem ehemaligen Schwimmlehrer, dem Engler, der ihm früher immer mit den Füssen auf die Hände trat, wenn Jan sich am Beckenrand stützte – und der danach immer zu den Mädchen ins Wasser hüpfte und seine Spiele spielte. Seither schwimmt Jan am liebsten nachts. «Dann habe ich den Weiher für mich.» Spätestens jetzt ist klar: Das Stück, das die Jugendtheatergruppe unter professioneller Leitung entwickelt und geschrieben hat, ist nicht nur ein Spiel, sondern eine ernste Sache. Auch wenn die sieben Darstellerinnen und Darsteller auf der Bühne im Flon ein Game aufführen. Drei Schwierigkeitsgrade müssen sie dabei meistern. Level 1 ist noch harmlos. Es geht um ungelenke Teenager-Liebe, beste Freundinnen und gestörte Eltern. Am lautesten von allen ist Pätsy, die Anführerin einer Mädchenclique, die ihrem eigenen Managementmodell folgt: «Strategie, Organisation, Taktik und Durchhaltevermögen». Mit frechem Mundwerk und schnellem Online-Chatten überzeugt sie ihre Freundinnen von ihrem Plan. Doch alles verläuft anders, die Wahrheit kommt ans Licht, Level 2 beginnt. Ein neues Spiel, diesmal gegen Grüsel-Schwimmlehrer Engler. Dieses – soviel sei verraten – endet ebenfalls anders als erhofft. Danach bricht der Morgen an, und schon befinden sich die Jugendlichen in Level 3. Es ist der höchste Schwierigkeitsgrad, jetzt braucht’s Durchhaltevermögen, an diesem ersten Tag vom Rest des Lebens.

Roger Berhalter

 

Sieben Jugendliche
Sieben Leben
Drei Level

Ein Spiel

«The Dawn Is Breaking» erzählt vom Spiel des Lebens. Das Game startet auf einem Steg an einem Weiher, wo sich die Lebenswege von sieben Jugendlichen kreuzen.

Jan hat überlegt wie es wäre, das Leben noch einmal zu beginnen. Er möchte als Siebzehnjähriger neu geboren und lieber nicht an den Schwimmlehrer seiner Kinderjahre erinnert werden.

Anna glaubt fest daran, dass etwas plötzlich wahr wird, wenn man es sich nur wirklich wünscht. Vorallem dann, wenn man auch noch eine Sternschnuppe gesehen hat.

Sabina macht mit und macht das Spiel zu ihrem eigenen.

Nicole findet, ihr Stiefvater sei krank. Nicht so krank. Sondern anders. Krank im Kopf. Gestört.

Pätsy ist laut und schnell und steht auf Autos, spricht von Strategie, Organisation, Taktik und Durchhaltevermögen.

Emily bleibt stets einen halben Schritt hinter Pätsy zurück, bis es auch für sie um alles geht.

Nina hat etwas anderes erwartet.

*

Level one. Es ist Tag, hell und harmlos. Easy. Dann nimmt das Spiel seinen Lauf, Level für Level, es wird dunkel, Abend und Nacht.

Jan, Anna, Sabina, Nicole, Pätsy, Emily und Nina spielen um die Liebe, um ihr Leben und fürs Leben gern, sie spielen nur zum Spass, es geht um alles oder nichts.

Und als der Morgen hereinbricht, beginnt der erste Tag vom Rest ihres Lebens und nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

Text zum Stück: Liv Sonderegger

2011 | Lautlos

von Adrian Strazza

Spiel
Kiri Hofmann | Severine Herzig | Nina Neuweiler | Ann-Marie Schmalz | Fabienne Schwizer | Vera Senekowitsch | Filip Stanojewic

Regie
Adrian Strazza

Assistenz
Conny Marty

Layout
Andreas Halter

Produktion
Stefan Graf

Bühne
Stefan Graf | Lukas Ammann

Musik/Ton
Sandro Moreni | Stefan Graf

Kostüme
Nicole Haraszt

Fotografie
Tine Edel

 

 

Presse

St. Galler Tagblatt, 13. Mai 2011

Bevor der Zug ins Leben abfährt

Bettina Kugler

Ein weisser Holzquader auf der leeren Bühne im Jugendkulturraum Flon, der sich drehen und wenden, im Raum verschieben oder ganz zur Seite räumen lässt, dazu Klamotten, in denen man die Sieben sonst auch auf der Strasse treffen könnte, und – eine Gitarre.

Denn Melanie und Kira im Stück träumen eine speziellen Traum: Sie wollen auf der Bühne stehen, ihre Gefühle in Songs ausdrücken, Ein erstes Ziel ist das bevorstehende Badifest, und einen Probenraum haben sie, nicht ganz legal, aber egal, in der alten Chäsi gefunden.

Da könnte man gleich eine lässige Einweihungsparty machen – und etwas Leben ins Dorf bringen. Ins „Kaff“, wie Tanja sagen würde, die Zugereiste aus Deutschland. In loser Folge mach sie am Telefon ihrem Herzen Luft: Dann erzählt sie ihrer Mutter in der Ferne, wie langweilig es hier zu- und hergeht, nicht nur beim ewigen Warten an der Bushaltestelle und auf dem Weg nach St.Gallen. Das sich wahrlich nicht messen kann mit Berlin, Hamburg, München . Wie spiessig die Leute hier sind, wie sie sich gegenseitig in die Vorgärten schauen und kontrollieren – was schon in jungen Jahren anfängt.

Die Rebellion im Bushäuschen hält sich in Grenzen; und dennoch zeigt sich hier klar: Das vorgespurte Leben fühlt sich irgendwie nicht gut an. Es muss doch mehr geben als brav die Lehre fertig zu machen, zu heiraten, Kinder zu kriegen. Den elterlichen Betrieb zu übernehmen oder deren UniKarriere nachzumachen. Deshalb geht es dann doch nicht so „lautlos“ ab, wie der Titel des Stücks suggeriert: jenny wagt es, der langjährigen Schulkollegin einen Kuss zu geben, Steffie beschliesst für das Austauschjahr in Detroit zu kämpfen. Tobi lässt seinen Vater in der Schreinerei hängen. Das Bushäuschen brennt, was wir nicht sehen – aber symbolisch ist es doch, so andeutungsweise hier viele Themen auch verhandelt werden.

2010 | Modell Andorra

von Stefan Graf nach Max Frisch

Spiel
Severine Herzig | Martina Mösle | Nina Neuweiler | Fabienne Schwizer | Flavia Vinzens |Johannes Boetschi

Regie
Stefan Graf

Assistenz
Conny Marty

Layout
Andreas Halter

Produktion
Adrian Strazza

Bühne
Lukas Ammann

Musik/Ton
Stefan Graf

Kostüme
Nicole Haraszt

 

 

Presse

St. Galler Tagblatt, 7. Mai, 2010

Aussenseiter namens Mensch

Der Regisseur Stefan Graf hat für das Jugendtheater U21 «Andorra» von Max Frisch als «Modell» neu bearbeitet. Ein Theaterabend, der in seiner dichten Erzählweise sehr berührt.

Brigitte Schmid-Gugler

Man müsste mit diesem Text Unterführungen, Wartehallen, Busse und und vielleicht auch noch Gotteshäuser dauerberieseln. Und dann müsste man noch alle Lehrer dieser Stadt dazu auffordern, mit ihren Schulklassen in den Jugendkulturraum Flon im Lagerhaus zu gehen. Oder «Modell Andorra» in die Klassenzimmer holen. Egal wie, nur sehen sollten Jugendliche, wie erstens Max Frischs Klassiker in die täglichen Diskussionen um religiöse und kulturelle Definitionsversuche passt, wie zweitens sechs junge Leute das Thema einfühlsam und äusserst präsent auf die Bühne bringen; drittens kann man einmal mehr erleben, welche Chance theaterbegeisterte junge Leute in dieser Stadt erhalten: In der Begleitung von professionellen Theaterpädagogen können sie sich mit literarischen Stoffen und dem Medium Theater auseinandersetzen, ein Stück erarbeiten und aufführen und dabei nicht zuletzt manches über sich selber lernen.

Für die diesjährige Produktion hat Regisseur Stefan Graf, neben Adrian Strazza und Lukas Ammann der Dritte im Bunde des Leitungsteams U21, eine eigene Fassung von Max Frischs «Andorra» erarbeitet. Er hat sich dabei auf die Zahl und das Geschlecht der an der Produktion beteiligten Jugendlichen gestützt und für die fünf weiblichen und den einzigen männlichen Beteiligten, allesamt zurzeit in einer Berufslehre, eine komfortable, unangestrengte Form der Darstellung gefunden.

Von nichts gewusst

Im Raum bildet die tragende Säule das zentrale Bühnenelement (Bühne: Lukas Ammann). An ihr sind gefüllte Weihwassergefässe befestigt, in dem sich die Andorraner, wenn sie sich wieder einmal ahnungslos zur tragischen Entwicklung in ihrem Dorf äussern, ihre Hände buchstäblich in Unschuld waschen. In diesem Dorf, dessen Häuserfassaden von den Frauen geweisselt werden, als wären wir zmitzt in Griechenland. Oder sonst in einem Land, das nicht nur winters die Farbe Weiss für ahnungslosen Schnee von gestern nimmt.

Um die Säule herum sind Haken befestigt für die Seilzüge (es könnte auch eine Felswand sein), an denen Menschen baumeln, Marionettenmenschen, Opfer und Täter zugleich (Puppen: Nicole Haraszt). Es handelt sich um die ausgestopften «realen» Figuren des Stücks – der Vater und Lehrer, die Mutter sowie Tischler, Pfarrer, Soldat und Andris Mutter, die Señora. Abwechslungsweise werden sie von der Decke geholt, um ihren Part beizutragen zum bösen Spiel im sauberen Dorf.

Andorra ist überall

Severine Herzig, Martina Mösle, Nina Neuweiler, Fabienne Schweizer, Flavia Vinzens und Johannes Boetschi, deren assortiert grün-weisse Kleidung man geneigt ist, als Symbol für hemmungslosen Fanatismus zu verstehen, geben den Figuren ihre Stimme, treten neben und hinter sie, schlüpfen für kurze Passagen selber in die Figur und spalten sich wieder ab, hängen die Puppen an den Haken zurück, treten als Erzählende vors Publikum. Sie zitieren, so nebenbei, aktuelle Leserbriefe aus der Zeitung zur Minarett-Initiative und Überfremdung und setzen sich dann ins Publikum, das rings um die Spielfläche sitzt. Wir sind mitten drin. Gehören dazu. Beklemmend, die scharf konturierte Deutung Grafs, die dem «Denkspieler» Max Frisch so wichtig war: Andorra, Feigheit, Stigmatisierung, Verrat geschehen überall, und ein «Jude» ist, wer von anderen dazu gemacht wird. Besonders erwähnt werden muss die schauspielerische Leistung von Martina Mösle als Barblin und Johannes Boetschi als Andri. Zwei Talente, die so berührend und locker spielen, als wär’ das Bühnenspiel ein Kinderspiel.

2009 | Laura fehlt

von Pamela Dürr

Spiel
Johannes Boetschi | Rebekka Frei | Louisa Keel | Nina Konjicija | Conny Marti | Carola Nänny | Julia Nänny | Ann-Marie Schmalz

Regie
Stefan Graf

Assistenz
Isabelle Rechsteiner

Layout
Andreas Halter

Produktion
Adrian Strazza

Bühne
Stefan Graf | Lukas Ammann

Musik/Ton
Stefan Graf

Kostüme
Nicole Haraszt

 

 

Presse

St. Galler Tagblatt, 11. Mai 2009

Verbrannte Erde hinterlassen

Eine ehemalige Mitschülerin sinniert über Lauras Leben – und ihr Ableben.

Was bleibt, wenn jemand geht – zu jung geht? Das Theater U21 spürt im Flon dieser Frage im Stück «Laura fehlt» in einer zuweilen schier unbequemen Eindringlichkeit nach. Ein starkes Stück Jugendtheater.

Michael Hasler

«Wo ich bin, ist die Mitte», sagt Laura über sich selbst. Doch die Mitte ist nicht mehr, Laura ist nicht mehr, nie mehr. Seit zwei Wochen hat sie in ihrer Berufsschulklasse eine Lücke hinterlassen, die niemand einnehmen kann und die auch niemand einnehmen will. Nur zögerlich entwickeln die acht Schauspielerinnen ein Kaleidoskop von Laura – «Laura Superbörner» –, ihrem Leben an der allzu langen Leine, die irgendwann riss.

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Kluges Rollenspiel

Viel Spielfläche braucht das Theater U21 im Flon nicht. Die acht Protagonistinnen und Protagonisten Johannes Boetschi, Rebekka Frei, Louisa Kehl, Nina Konjicija, Conny Marti, Carola Nänny, Julia Nänny, Ann-Marie Schmalz halten sich bei ihrem Spiel lediglich an einen der neun Bauspriesen, die als Kulisse dienen.

Eine Baustelle also ist die Landkarte, auf der sich die Berufsschülerinnen nach Lauras Ableben bewegen. Eine Baustelle, deren Decke immer wieder einzustürzen droht.

Fragil sind die halbwüchsigen Leben nach dem Schock, der sie erschütterte. Nur zögerlich finden die ehemaligen Mitschülerinnen erst zu ihren Stimmen und dann zu Worten, die hinterfragen, Trost suchen und doch immer wieder abstürzen. «Mit Laura konnte mir niemand was (anhaben), ohne sie…», bricht es irgendwann aus ihrer besten Freundin Alex heraus.

Kongeniale Freundinnen seien sie gewesen, zwei Freaks, von der die eine nicht ohne die andere konnte, lästern die Klassenkolleginnen halb beeindruckt, halb irritiert. Die Schauspielerinnen und Schauspieler schlüpfen dabei abwechselnd in die Rolle von ehemaligen Mitschülerinnen und von Laura selbst. Das kluge Rollenspiel treibt das Stück an, macht es

gleichzeitig anregend undurchsichtig und schafft über den ganzen Spielbogen hinweg atmosphärische Transparenz.

Was ist zu viel?

«Laura fehlt» bietet am Ende – zum Glück – keine Lösungen an, bleibt so gesehen unpädagogisch. Das Ziel des kooperativen Entstehungsprozesses zwischen den Akteurinnen und Akteuren des Theater U21 und Autorin Pamela Dürr bleibt das Ausbreiten einer Jugendbefindlichkeit. Nicht die Frage, was ist richtig und was falsch, sondern was ist zumutbar und was ist zu viel, treibt den Stoff voran.

Pamela Dürr und Regisseur Stefan Graf taten im Vorfeld gut daran, die Eigenheiten der Jugendsprache in einer annehmbar natürlichen Weise zu belassen. «Sie war der Superbörner» oder «er sah aus wie Jabba the Hutt» oder «biedere Chicks» sind Idiome, die so auch auf jedem Oberstufen-Pausenhof zu hören sein könnten.

Nie wirkt das Stück textlich forciert oder jugendlich überspannt.

Stattdessen machen es sich die einzelnen Akteure nicht einfach, operieren oft monologisch, bleiben in ihrem Spiel bewusst zurückhaltend und einzig

die Figur der Laura tobt sich so aus, als ob es stets das Letzte wäre, das sie gerade tut. «Überall, wo sie war, hat sie verbrannte Erde hinterlassen», sinniert Freundin Alex in der vielleicht stärksten Szene des Stücks.

Eindringlich und ideenreich

Mit «Laura fehlt» ist dem Theater U21 ein starkes Stück Jugendtheater gelungen, welches die Erwachsenen und allzu Erwachsenen erahnen lässt, wo das Spiessertum beginnt und wo und wieso sich Jugendliche dagegen abgrenzen müssen. Jugendliche Spektateure werden sich und ihre Welt,

ihre Ängste und ihre Sehnsüchte zwischen den neun Bauspriesen im Flon wiederfinden – etwas, das Erwachsenen beim Imitieren von Jugendstoffen häufig misslingt.

Durch die Montage von Chorgeräusch-Collagen und das ständige Wechselspiel der einzelnen Schauspielerinnen ist «Laura fehlt» klug, ideenreich und doch eindringlich inszeniert. Für Jugendliche, die sich selbst besser verstehen wollen, und für Erwachsene, die auch eine differenziertere Betrachtung von Jugendlichen zulassen können, durchaus ein Muss.

St. Galler Tagblatt, 08. Mai 2009

Dem Eigenen nachspüren

Ein Interview mit der Autorin Pamela Dürr

Der Werkbeitrag, den der Jugendtheaterclub U21 letztes Jahr von der Stadt erhielt, ermöglichte es der Projektgruppe, mit der in Berlin und St. Gallen lebenden St. Galler Autorin Pamela Dürr das Stück «Laura fehlt» zu entwickeln.

Pamela Dürr, von Ihrem zweiten Wohnort in Berlin aus haben Sie mit St. Galler Jugendlichen des Theaters U21 ein Stück erarbeitet. Wie muss man sich einen solchen Prozess angesichts einer Distanz von 800 Kilometern vorstellen?

Pamela Dürr: Ich habe bei Harry Potter gelernt, wie das mit dem «Aparieren» geht. Nein, im Ernst jetzt: Das ging wunderbar! Es ist ja bereits das zweite Projekt, das auf diese Weise entstand. Den Anfang machte vor zwei Jahren das Stück «Blaufransen».

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Ich hatte es ursprünglich für das Theater Tuchlaube in Aarau entwickelt; die Leiter des Jugendtheaterclubs U21, Lukas Ammann, Stefan Graf und Adrian Strazza, wollten den Stoff dann auch für ihre Gruppe übernehmen. «Laura fehlt» entwickelte ich nach einem ähnlichen Prinzip. Das heisst, die Jugendlichen gaben das Thema, welches sie auf die Bühne bringen wollten, selber vor.

Heisst das, Sie spielten eine Art Sekretärin?

Dürr: Nein, auf keinen Fall! Vielmehr basiert das Konzept auf einem langen, interaktiven Entstehungsprozess. Im vergangenen September traf ich das erstemal mit der Theatergruppe zusammen. Für mich war es spannend zu hören, was die Jugendlichen beschäftigt, welche Fragen sie sich stellen, was sie interessiert, berührt, ängstigt. Welche Bücher, welche Filme sie mögen.

Dann ging es darum, herauszufinden, in welchem Genre sie ihr Stück ansiedeln wollten: Sollte wie «Blaufransen» die Post abgehen? Sollte es eine phantastische, wilde Geschichte geben mit Klamauk und Tanz, oder lieber eine ruhigere, persönlichere?

Da wurde bei einer Anzahl von acht Spielenden mühelos ein Konsens gefunden?

Dürr: Voraus ging ein intensives gemeinsames Arbeitswochenende im November.

Die Jugendlichen, die sich dazu entschieden hatten, bei dem Projekt mitzumachen – es ist zeitlich sehr aufwendig – verfassten je zwei Steckbriefe: einen über sich selber und einen über eine fiktive Person, danach hatten sie fünf Minuten Zeit, sich persönlich vorzustellen und ihre Ideen für ein Theaterstück zu formulieren.

Hey, da habe ich gestaunt und musste selber wieder einmal ein paar Vorurteile ablegen! Die Statements waren von einer überraschenden Ehrlichkeit, Offenheit. Und es war sehr schnell klar, dass das Stück eines über ihre eigene Befindlichkeit, über ihr Umfeld an der Berufsschule, in der Lehre, über den Alltag in den Familien, im Freundeskreis werden sollte.

Aus manchen Situationen – wir spielten mit Gegenständen, die ihnen wichtig sind und mit Geräuschen im verdunkelten Raum – ergaben sich bereits die ersten Szenen. Mit dem gesammelten, sehr ergiebigen Stoff zog ich mich nach Berlin zurück. Das waren dann fünf Wochen Schreiben als «Einsiedlerin». Ich begann, Dialoge zu schreiben und versuchte herauszuspüren, wo ich die Jugendlichen herausfordern, wo schützen muss.

Es gab keine Rück- beziehungsweise Absprache mehr mit der Gruppe?

Dürr: Nein, dieser Teil lief anders als bei «Blaufransen», als der Text während der Entwicklung ein paarmal hin- und hergereicht worden war. Ich schrieb das Stück allein und kehrte mit der fertigen Vorlage nach sechs Wochen nochmals nach St. Gallen zurück. Und da passierte dann das Schöne: die Jugendlichen mussten über die Bühnenfassung ihrer eigenen Schilderungen sehr lachen und fanden sich in dem Text wieder.

Es geht in dem Stück um ein Mädchen, das nicht, oder besser gesagt, nicht mehr da ist … man spürt beim Lesen ein leises Unbehagen.

Dürr: Dadurch, dass es um eine Person geht, die nicht da ist, entwickelt sich unter den Klassenkolleginnen und dem einen Kollegen eine ganz besondere Spiel-Dynamik. In der Erinnerung an die frühere, ein bisschen crazy Freundin spiegeln sich auch die eigenen Widersprüche zwischen dem Wunsch, etwas Besonderes sein zu wollen und der Angst nicht geliebt, beachtet, gemocht zu werden, das heisst, zwischen Grössenwahn und Hilfsbedürftigkeit.

Zwei Extreme, die mir aus meiner eigenen Jugend noch sehr vertraut sind. Das kann man auch mit Humor spielen, in «Laura fehlt» unterstrichen durch den «Slang», die eigene Sprache der Jugendlichen.

Das ist nicht Ihre Sprache…

Dürr: Es ist weder meine Sprache noch ist es die Wiedergabe von intimen, persönlichen Geschichten. Die Sprache ist drastisch aber nicht anbiedernd. Die persönlichen Schilderungen wurden auf eine fiktive Ebene gestellt. Wir machen schliesslich sehr lustvoll Theater, und keine Therapiestunde.

Interview: Brigitte Schmid-Gugler

2008 | Helden des Alltags

von Stefan Graf

Spiel
Deborah Egger | Dennis Egger | Andreas Halter | Deborah Holdener | Martina Mösle | Carola Nänny | Louisa Keel | Ann-Marie Schmalz

Regie
Adrian Strazza

Assistenz
Isabelle Rechsteiner

Produktion
Adrian Strazza

Bühne
Stefan Graf | Lukas Ammann

Musik/Ton
Stefan Graf

Kostüme
Nicole Haraszt

 

 

Presse

St. Galler Tagblatt, 20. Mai, 2008

Von Atlantis auf den Mars

Im Flon zeigt die Jugendtheatertruppe U21 ihre diesjährige Eigenproduktion

St. Gallen. Wer träumt nicht von einer anderen, einer besseren Welt! Letztes Jahr segelten die Blaufransen nach Atlantis, und dieses Jahr fliegt ein bunter Hausbewohnerhaufen samt Kajütenbett Richtung Mars.

Brigitte Schmid-Gugler

Ein Wohnblock ist immer gut für Geschichten. Für wirkliche und für erfundene. Ein Biotop für Phantasie, Vermutungen, Heucheleien, Streitigkeiten, für Annäherung und Utopien. Aber beginnen wir ganz vorn. Beim Klebeband, das im düsteren Halbdunkel mit sicheren Griffen transparente Wohneinheiten eingrenzt. Mehr als diese minimalistische Theaterdekoration braucht es nicht, um übereinanderliegende Wohnungen installativ zu kennzeichnen. Den Zuschauern bietet sich so ein horizontaler Einblick in das Geschehen. Je nach Standort sieht man direkt in das Zimmer der jeweiligen Bewohner: Links aussen der vermeintliche Kriminalbeamte Gerber, neben ihm die Hauswartin Studer, der zwielichtige Philipp und Frau Regierungspräsidentin Mosimann, dieser gegenüber die Rollstuhlfahrerin Isabelle Benoit, das Möchtegern Model Dina, das Kind Annegret und der Dichter Christian Voirol.

Wenn es Nacht wird in diesem Haus, beginnt für Letzteren der Tag. Er sitzt an seiner Schreibmaschine und träumt. Vom Dichten. Vom grossen Wurf. Vom Abheben. Vom Fliegen. Vom Ankommen in einer besseren Welt. Und davon, wie er sich in einer heldenhaften Tat vor dieser hier retten wird. Dann kommt der Morgen, und mit seinem Licht sieht man endlich richtig rein in die guten Stuben. Der Dichter schläft und das Haus wacht auf. Annegret räkelt sich in ihrem Kajütenbett, füttert ihre Stofftierli und parliert mit einer unsichtbaren Mutter. Polizist Gerber trainiert am Boxsack seine Muskeln, Madame Benoit streichelt ihr Katzentier, «Königin» Mosimann erhält Telefonanruf von Unbekannt, die Putzfrau beginnt zu fegen, und die schöne Dina erhebt sich aus der Badewanne, wo sie die Nacht zu verbringen beliebt.

Irrwitzige Collage

Sonderbare Dinge geschehen hinter diesen Klebebandwänden. Nichts ist so, wie es scheint, und noch während wir versuchen, zwischen den einzelnen Wohneinheiten eine Ordnung zu schaffen, sind wir mitten drin in einem Science-Fiction-Roman. Die Menschen sind nicht die, die sie vorgeben zu sein – oder sind sie es doch? Handelt es sich hier um eine verschworene Bande, um lauter Spitzel eines Plots, oder um den Club der Einsamen, die sich ihren Traum vom eigenen «Heldentum» zurechtzimmern? Wie bei Franz Hohler der Berg, donnert es böse aus dem Erdreich, das (Seelen-)Interieur wackelt, die Hausbewohnerinnen und -bewohner «stranden» in der Waschküche, wo die sprechende Waschmaschine ihre Ratschläge erteilt. Genau so, wie das Stück entstanden ist, präsentiert es sich: teilweise konturlos konfus antiheldenhaft zwischen Alltagsgeschichten und Fiktion.

Der Produktionsleiter und Regisseur Adrian Strazza strebte eine Art theatralisch umgesetzten Blog an. Im Vorfeld der Inszenierung konnten die jungen Darstellerinnen und Darsteller in einem aufgeschalteten Forum am Text mitwirken. Aus dem Sammelgut dieses Austauschs entwickelte Stefan Graf den Stoff zu «Helden des Alltags, when things are getting spacy». Spacy, ausgeflippt ist der gemeinsame Traum dieser Alltagshelden, der bevorstehenden Apokalypse zu entkommen.

Lebensängste vermischen sich mit Allmachtsphantasien; mit dem Wunsch etwas Besonderes zu sein; am liebsten ein Held, eine Heldin. Und doch dringt durch diese grosse Helden-Sehnsucht die Furcht vor dem Versagen, die Angst, ganz klein, unbedeutend, unbeachtet zu bleiben.

Gratwanderung

Wären da nicht die Flügel der Phantasie. Auf ihren Schwingen wird diese Hausgemeinschaft zu einer verschworenen Bande, dieser Blog-Block zu einem Pulk ulkiger Charaktere. Hinter dem ganz banalen Alltag zwischen Treppenhaus, Waschküche und Wohnungstüre irrlichtert der Geist des «Heldentums». Als ob die einzelnen Figuren aus einem Computerspiel heraustreten würden, verknotet sich ihre Identität mit einer komplizenhaften zweiten.

Auf dieser Meta-Ebene geschieht Absurdes, Märchenhaftes. Die verschworenen Apokalypse-Theoretiker finden endlich die ultimative Black Box (als Metapher der abgestürzten Träume?) mit deren Hilfe sie auf dem fliegenden Kajütenbett ins Weltall entfliehen, wohin man Madame Benoits «Flughund» Artus schon mal vorausgeschickt hat.

Strazza legt das Spiel im Spiel mit vielen originellen Regiegriffen aus, lässt diese aber teilweise schnell zerfleddern. Immer dann, wenn wir meinen, der Geschichte habhaft zu werden, entgleitet sie uns gerade so, als hätte sich ein virtuelles Virus ins Haus geschlichen.

Auf dem schmalen Grat dieses dramaturgisch nicht ganz risikofreien Projekts bewegen sich die sechs Darstellerinnen und zwei Darsteller mit tänzerischer Leichtigkeit. Sie sind die wahren Helden dieses Abends, federn die teilweise nicht ganz ausgereifte Absicht einer Slapstick-Komödie mühelos und mit einer bemerkenswerten schauspielerischen Wandlungsfähigkeit ab.