von Simon Ledermann
Spiel
Philippe Heule | Kevin Högger | Michele Höhener | Flavia Vinzens | Conny Marti | Carola Nänny | Aleksandra Zdravkovic | Sandra Eberhard | Alexandra Portmann
Regie
Stefan Graf | Lukas Ammann
Assistenz
Ensemble
Produktion
Lukas Ammann
Bühne
Heini Baumgartner
Musik/Ton
Peter Nussbaumer
Kostüme
Nicole Haraszt
Presse
St. Galler Tagblatt, Montag, 28. Juni 2004
Kämpfen, Charlie . . .
Mehr als Selbstdarstellung: Der JTC spielt «Johanna!» auf der Studiobühne
Einmal aus der eigenen Haut fahren; ins Kettenhemd einer Glaubenskriegerin, den Samt-rock eines Königs schlüpfen: Mit Lust am Verkleiden fängt der Traum vom Theater an. Beim Jugendtheaterclub wird er zum Stück.
Bettina Kugler
Philipp hat ein klares Regiekonzept: Johanna, die Jungfrau von Orléans, soll nicht auf dem Scheiterhaufen enden. Läuterung, religiöser Fanatismus bis zur letzten Konsequenz, womöglich Blankverse von Schiller – viel zu pathetisch. Er hält es mehr mit Shaw. Mit Zweideutigkeiten. Und überhaupt: Die Probe sollte längst begonnen haben, der Text gelernt sein. Stattdessen lümmeln seine Mitspieler auf abgewetzten Sesseln, probieren Kostüme, schleppen selbst gebaute Requisiten und höchst individuelle Vorstellungen vom Stück und ihren Rollen herbei.
Jungfrau und Madonna
Jeanne d’Arc? Regietheater? Hauptsache Rampenlicht: Die eine zimmert am Scheiterhaufen, die andere will ihr pyrotechnisches Talent beweisen. Johanna, die Auserwählte, besteht auf Schillers Heldenton, die anderen beneiden sie um die Hauptrolle und weigern sich, Hosen anzuziehen. Dann lieber noch in den Ausgang, Platten von Madonna auflegen. «Like a Virgin», das könnte Johannas Song sein. Es wird später, in verstörender Brechung, zu ihrem und aller Schlachtlied. Kämpfen, Charlie, heisst es dann. Aus der «Jungfrau von Orléans» wird in der Produktion des JTC unter der Regie von Stefan Graf und Lukas Ammann «Johanna!»: ein Stück von Simon Ledermann über den weiten Weg zu einem Stück, über das zähe Ringen hinter dem Vorhang und die schwierigste Rolle von allen – sich selbst zu sein. Dass die neun jungen Darsteller vom Jugendtheaterclub Theater im Theater spielen, zwei Rollen also, und dazu ein wenig auch sich selbst, macht den Reiz des Abends aus, erleichtert zunächst den Einstieg, ist aber auch höchst anspruchsvoll.
Schiller lockt
Als Jugendliche, die sie darstellen, wollen sie spielen, in schöne Kleider schlüpfen, die Bretter unter den Füssen, die Blicke anderer auf sich spüren; eine andere Welt betreten, um die eigene besser zu begreifen: Träume, mit denen die Theaterpädagogen Stefan Graf und Lukas Ammann in ihren Kursen und Workshops für Jugendliche zu arbeiten beginnen. Anders als Regisseur Stefan im Stück «Johanna!» tun sie es gründlich und elementar, beginnen mit kleinen Rollenspielen ohne festgeschriebenen Text, mit Körperwahrnehmung und Improvisation. Den Körper zum Sprechen bringen, selbst- und rollenbewusst im Scheinwerferlicht stehen, einen Text behalten und dann damit spielen, sogar Schillers flammende Reden zum Knistern zu bringen: das alles können die Jugendlichen bereits erstaunlich gut. Gut genug, um uns Jeanne d’Arc, Schiller und das Theater an sich mit neuen Augen sehen zu lassen.