von Paul Steinmann
Spiel
Urs Ebneter | Philippe Heule | Sarina Lendi | Tabea Lendi | Alexandra Portmann | Maja Rohrer | Assunta Steiner
Regie
Stefan Graf
Assistenz
Ensemble
Produktion
Lukas Ammann
Bühne
Heini Baumgartner
Musik/Ton
Jürg Schmid
Kostüme
Nicole Haraszt
Presse
St. Galler Tagblatt, Freitag, 27. Juni 2003
Die mit dem Zug tanzt
Der Jugendtheater-Club zeigt in der Grabenhalle sein neues Stück «Duss fährt ab»
Sieben Schauspieler zwischen 16 und 18 Jahren schildern die Abenteuer einer jungen Frau, die allein verreist und den Mut hat, zu sich selber zu stehen.
Melissa Müller
Was tun, wenn die beste Freundin kurzfristig eine Reise absagt, weil sie sich am Arm verletzt hat? Keine Frage: Sarah Duss steigt allein in den Zug. In Richtung Norden solls gehen, Hauptsache weg. Die Odyssee auf Schienen dient als Ausgangslage für «Duss fährt ab».
Stefan Graf und Lukas Ammann haben das Theaterstück leichtfüssig inszeniert. Assunta Steiner gewinnt in der Hauptrolle als Sarah Duss schnell die Sympathien des Publikums. Heini Baumann gelang ein raffiniert schlichtes Bühnenbild – lediglich ein paar alte grüne SBB-Sitze – und wenn im Hintergrund typische Bahnhofgeräusche ertönen, will man als Zuschauer am liebsten mit einsteigen.
Spiesser und schräge Vögel
Was ihre Reisepläne betrifft, stösst die Siebzehnjährige auf wenig Zuspruch. «Hast du noch nie von Mädchenhandel gehört? Eines Tages landest du noch in Afrika auf dem Markt», warnt sie Flo, ein Teenager, den sie im Zug kennen lernt. Ohnehin rät er ihr, die lächerliche Schweizer Fahne, die sie am Rucksack befestigt hat, schleunigst zu verbrennen. «Die Leute im Ausland meinen nämlich, jeder Schweizer habe ein Schoggibäumli vor der Tür und eine Kuh, die Geld scheisst.» Bevor er in Basel aussteigt, schenkt ihr Flo ein indianisches Amulett. Sarah merkt bald, dass per Interrail reisen nicht immer pures Vergnügen ist – unterwegs sein bedeutet manchmal unbequeme Nächte in stickigen Zugabteilen, Einsamkeit – und nicht zuletzt, «dass einem der Arsch weh tut vom vielen Sitzen». Auf rollenden Rädern trifft Duss ein spiessiges Schweizer Pärchen, eine engstirnige Sektenanhängerin, die sie bekehren will (Maja Rohrer), eine strenge Zöllnerin (Sarina Lendi), eine zickige Amerikanerin (Alexandra Portmann), den Minibar-Verkäufer Giorgio (Philipp Heule) und Toni (Urs Ebneter), in den sie sich verguckt und der von sich behauptet, er stamme von einem fremden Stern. Schlagfertig hält sich die junge Frau mühsame Leute vom Leib und denkt über ihr Leben nach: Soll sie wirklich zur KV-Stifti antreten, wo sie doch schon beim blossen Gedanken an ein Büro Hautausschläge bekommt?
Stoisch wie ein Indianer
Duss trägt das Amulett und entdeckt ihre indianischen Wurzeln: Über vierzig Mal pendelt sie zwischen der Schweiz und der Nordsee und handelt sich dabei den Ruf als Schienenindianerin ein. «Die mit dem Zug tanzt» nennt sie sich selbstironisch – auf die Gefahr hin, als Aussenseiterin abgestempelt zu werden. Dabei verhält sie sich nicht wie eine exzentrische Göre, sondern folgt ihrer inneren Stimme. Eltern und Kollegen bringen für «Häuptling Duss’» abgefahrene Ideen kein Verständnis auf: «Hätts der is Hirni gschisse?» spotten zwei Typen, die von Hamburg zusteigen – Duss bietet ihnen die Stirn. Stoisch wie ein weiser Indianer geht sie ihren Weg. Für ihre Leistung in der ausverkauften Grabenhalle ernteten die Jungschauspieler begeisterten Applaus; zu guter Letzt regnete es gar rote Rosen auf die Bühne.